In diesem Artikel zeigen wir dir, wie du mit der Bottom-up Methode Aktien bewerten kannst. Die Bottom-up Methode ist sehr gut, um junge Unternehmen zu bewerten.
Die Voraussetzungen für die Bottom-up Methode
Um die Bottom-up Methode anwenden zu können, benötigst du einige Informationen zum Markt und zu deinem Unternehmen. In diesem Musterfall zeige ich das am Beispiel eines bekannten Streaming-Dienstes, auch bekannt als „Netflix„.
Netflix hat ein relativ einfaches Geschäftsmodell und wir können uns sehr leicht in einen Kunden reinversetzen, da wir vermutlich selbst Kunden sind. Das sind ideale Voraussetzungen, wir kennen dann nämlich schon ein wenig den Markt!
ACHTUNG! Hierbei handelt es sich um ein Beispiel. Die Zahlen sind zwar realistisch gewählt, jedoch ist es keinesfalls eine tiefgründige Analyse!
Netflix-Aktie bewerten
Potentielle Kunden ermitteln (Marktgröße)
Wer kann alles Netflix-Kunde werden?
Jeder Mensch mit Internetzugang. Aktuell haben wir ca. 7,8 Mrd. Menschen auf unserer Erde und davon haben ca. 4 Mrd. Menschen einen Internetzugang.
Dass nun wirklich jeder ein Netflix-Abonnement hat, ist sehr unrealistisch, deshalb nehmen wir 2 Mrd. Menschen an.
Du kannst auch 1,5 Mrd. nehmen, oder 1,3 Mrd. An dieser Stelle kommt die Kreativität ins Spiel. Wie wichtig ist das lineare Fernsehen in der Zukunft? Wie viele weitere Streaminganbeiter gibt es (Amazon, Disney+, …)?
Das ist die Kunst des Investierens, den Markt einzuschätzen und zu prognostizieren.
Preismacht von Netflix
Da du selbst potentieller Kunde bist, kannst du dir überlegen, wie viel Geld du bereit wärst für Netflix zu bezahlen. 10 €, 15 € oder doch nur 8 €?
Ich würde sagen, aktuell sind die meisten Leute bereit, 10 € für Netflix zu zahlen. Ich bin jedoch auch der Meinung, dass in einigen Jahren sogar locker 20 € bezahlt werden können. Das hängt davon ab, wie wertvoll die Inhalte auf der Netflix-Plattform sind.
Da ich dennoch konservativ rechnen möchte, nehme ich einen Preis von 10 € an.
Bei solchen Annahmen musst du berücksichtigen, dass die Währung eine Rolle spielt. Die Schweizer zahlen z. B. schon heute 15 CHF, die Amerikaner ca. 13 $ usw. In Afrika kostet das Netflix-Abo umgerechnet jedoch nur 8 € usw. Sei dir bewusst, das spielt bei globalen Unternehmen eine Rolle!
Profitabilität von Netflix
Mit den oberen Daten können wir sehr leicht den potentiellen Umsatz von Netflix berechnen. Das bringt uns jedoch noch nichts, wenn wir nicht wissen, was am Ende hängenbleibt.
Die einfachste Möglichkeit, die Profitabilität zu kalkulieren, ist: Wir schauen bei einem Mitbewerber! An dieser Stelle fällt mir z. B. Walt Disney ein. Disney macht bislang das meiste Geld durch Kinofilme, Merchandise, Disney Parks usw. Jedoch hat das schonmal was mit Filmen zu tun.
Disney hat eine Umsatzrendite von 10-15 %.
Ob das für Netflix zutrifft, können wir nie genau sagen, jedoch ist es eine Annahme. Internetkonzerne haben in der Regel relativ hohe Umsatzrenditen (vgl. Google & Facebook). Jedoch stelle ich mir die Filmproduktion sehr teuer vor.
Für das Beispiel rechne ich mit 10 %.
Wir verheiraten unsere Zahlen!
2 Mrd. Menschen zahlen jeden Monat 10 €.
2 Mrd. Menschen x 12 Monate x 10 € = 240 Mrd. €
Davon bleiben 10 % als Gewinn übrig!
Das entspricht 24 Mrd. €
Nun müssen wir das natürlich noch auf die Aktien aufteilen, um die Netflix-Aktie zu bewerten. 2019 gab es ca. 450 Mio. Netflix Aktien.
24 Mrd. Euro / 450 Mio. Aktien = 53,33 Gewinn je Aktie.
Nun nehmen wir nochmal ein Multiple (KGV) an. Walt Disney wurde über die letzten 15 Jahre immer zu einem 20er KGV gehandelt. Dieses können wir auch für Netflix annehmen, da die Geschäftsmodelle ähnlich sind.
20 x 53,33 € = 1066 € Kursziel für Netflix!
Aktuell ist der Preis der Netflix-Aktie bei ca. 450 €. Demnach könnte sich die Aktie noch verdoppeln.
Wie gehe ich mit der Bewertung um?
Oben habe ich mir Zahlen aus der Nase gezogen, um das Geschäftsmodell von Netflix zu extrapolieren. Nun schauen wir mal auf die realen Zahlen von Netflix.
Die aktuellen Netflix-Zahlen
Netflix hat aktuell ca. 195 Mio. Abonnenten und ca. 20 Mrd. € Umsatz. Nehmen wir z. B. 10 % Umsatzrendite an, bleiben am Ende 2 Mrd. € als Gewinn übrig. (Der durchschnittliche Kunde zahlt ca. 8,5 € pro Abonnement.)
Teilen wir das auf 450 Mio. Aktien auf, sind es 4,44 € je Aktie.
Bei einem Multiple von 20 hätten wir einen fairen Wert von ca. 88 €. Jedoch steht die Aktie bei 450 €.
Da ist meiner Meinung nach schon verdammt viel Fantasie mit dabei.
Die Schlussfolgerung
Die Netflix-Aktie ist derzeit sehr teuer bewertet. Es müssen noch sehr viele Menschen auf der Welt ein Netflix-Abo abschließen, sodass sich die aktuelle Bewertung der Aktie rechtfertigt. An dieser Stelle musst du dir die Frage stellen, wie wahrscheinlich ist es, dass so viele Menschen ein Netflix-Abo haben? Meiner Meinung nach eher gering.
Aktien bewerten mit Bottom up
Genau für solche Zwecke kannst du die Bottom-up Methode verwenden. Sie liefert dir zwar absolute Zahlen, jedoch musst du dir Parameter überlegen. Du musst Annahmen treffen. Deshalb gibt es auch noch keinen Computer, der das alles vollautomatisch berechnet. Dieser weiß auch nicht, wie viele Abonnenten Netflix in 10 Jahren hat.
Du interessierst dich für mehr solche Aktienbewertungen? Dann nehme Kontakt zu uns auf. Wir können dir verschiedene Bewertungsmöglichkeiten zeigen.
In einem anderen Artikel haben wir eine weitere Methode gezeigt, um Aktien zu bewerten.
16. Oktober 2020 um 20:01
Hallo Niko!
Ein super Artikel und vor allem sehr verständlich geschrieben. Ich denke dadurch können auch Neulinge die Bottom-Up Methode als Teil der Anlageentscheidung nutzen.
Viele Grüße
Jens von Aktienzauber.com